Promibücher und andere Märchen

Palina Rojinski hat ein Buch über Astrolügie Astrologie geschrieben und der Verlag Kiepenheuer und Witsch macht sich in Kurzvideos über Autor:innen lustig, die ihm eigeninitiativ ihre Manuskripte schicken. Beides finde ich zum Kotzen.

Derart getriggert, möchte ich deshalb an dieser Stelle mal von einigen meiner Erlebnisse berichten und mit der einen oder anderen Mär über unveröffentlichte Autor:innen aufräumen.

Mär 1: Unveröffentlichte Autor:innen leiden alle unter Selbstüberschätzung, weil sie ihre Werke nur Freunden und Familienmitgliedern zu lesen geben, die sie wiederum aus Ahnungslosigkeit oder Verbundenheit ausschließlich loben.

Das stimmt schlicht nicht. Brauchbares Feedback zu bekommen, ist sehr schwierig. Gerade Freunde und Verwandte lehnen es oft ab, meine Geschichten zu lesen. Manchen liegt das Genre Fantasy nicht, andere schreckt die Darstellung von Gewalt ab. Und, ja, einige lehnen es bestimmt auch ab, weil sie wissen, wie viel Herzblut in meinen Büchern steckt und sie sich scheuen, mich zu kritisieren.

Exemplarisch sei an dieser Stelle mein kleiner (jüngerer) Cousin genannt. Der schrieb mich, als er die ersten drei Bände von Die Zeit der Großen Wanderschaft gelesen hatte, irgendwann an und fragte zunächst vorsorglich, ob ich auch säße, Zeit hätte und in der Stimmung sei, Kritik zu ertragen. Ich machte mich also schon auf ein negatives Urteil gefasst.

Doch die Kritik bestand lediglich darin, dass ihm »nicht alles gefallen« hätte. Ich konnte ihn also getrost beruhigen: Ich erwarte nicht, dass irgendjemandem alles an meiner Geschichte gefällt und freue mich sogar, wenn es Figuren gibt, die einen so richtig schön aufregen. Denn das hat mich die Aufmerksamkeitsökonomie inzwischen gelehrt: Wir interagieren mehr mit dem, was uns ärgert, als mit dem, was uns freut.

In den allermeisten Fällen aber bekomme ich überhaupt keine Rückmeldung. Das mag schlicht an Zeitmangel liegen. Man lässt sich das Buch mal geben, in den besten Absichten, aber dann sind andere Dinge wichtiger.

In wieder anderen Fällen habe ich Aussagen bekommen wie: »Na ja, es passiert ja nicht viel in dem Buch« oder: »Der Name von der Figur gefällt mir nicht!« Damit kann ich natürlich nichts anfangen.

Nun gut, ein so netter Verlag wie Kiepenheuer und Witsch würde aus alldem jetzt vielleicht schließen: »Sie bekommen also nicht einmal positive Resonanz von Ihnen nahestehenden Personen – vielleicht können Sie also gar nicht gut schreiben?«

Das mag sein. In jedem Fall aber ist die Mär von der einseitig positiven Bubble widerlegt.

Mär 2: Es geht unveröffentlichten Autor:innen ums Geld.

KiWi hängt sein TikTok-Format Unverlangt eingesandt offenbar daran auf, dass einige Autor:innen eine Bezahlung wünschen. Nur ist das natürlich weder ungewöhnlich noch unbotmäßig. Die taz weist ganz richtig darauf hin, dass etwa 10.000 Euro für ein Jahr Arbeit deutlich auf Niedriglohnniveau liegen – und mit einem Jahr Arbeit kommt man ja oft genug noch nicht mal hin. Wenn überhaupt, dann ist eine solche Forderung also eher Ausweis dafür, mit wie wenig Autor:innen schon zufrieden wären.

Außerdem darf man 10.000 Euro Honorar vorab ja nicht als Bezahlung für schon geleistete Arbeit sehen. Vielmehr wären sie eine Vergütung für die noch kommende Arbeit. Oder glauben Sie, ich würde mit der Aussicht auf Veröffentlichung meiner Bücher sofort rufen: »Sie können mich mal, Krabappel!«, meinen Job an den Nagel hängen und die Hände in den Schoß legen?

Natürlich nicht. Denn natürlich weiß ich, dass die meisten Autor:innen vom Schreiben allein nicht leben können – und vielleicht würde ich das auch gar nicht wollen. Und natürlich weiß ich, dass die Arbeit mit Abschluss eines Buchvertrags erst losgeht: dass es gilt, mit Lektorat und Korrektorat zusammenzuarbeiten, Öffentlichkeitsarbeit zu machen, soziale Medien zu bespielen.

Gerade als unveröffentlichte Autor:in brauche ich also einen Puffer, um meinen Brotberuf mal ruhen lassen und dem Verlag, meinem potenziellen Partner, zuarbeiten zu können. Das Fiese an einem Format wie Unverlangt eingesandt ist aber, dass es das genaue Gegenteil suggeriert, nämlich: Da hat eine:r mit zu viel Freizeit ein bisschen rumgeschreibselt, und jetzt klatscht die faule Sau uns das hin und glaubt, sie hätte ausgesorgt.

Aber ich bin nicht faul. Ich möchte nichts geschenkt. Ich habe viel in meine Bücher gesteckt – nicht »nur« das oft belächelte Herzblut, sondern auch reichlich Hirnschmalz. So viel, dass ich lieber nicht nachrechne, was das an handfester Arbeitsleistung ist. Aber ich bin trotzdem bereit, noch mehr zu investieren. Gerade dann, wenn ich wüsste, es geht nicht allein um mich, sondern es geht um ein Team, es geht um Leute, die sich für mich ein Bein ausreißen und für deren Jobs ich eine Mitverantwortung trage, würde ich mich umso mehr ins Zeug legen.

Ich selbst habe auch noch in keinem Schreiben an einen Verlag oder eine Agentur Geld auch nur erwähnt. (Vielleicht hätte ich es mal tun sollen, um Aufmerksamkeit zu erhalten?) Mir geht es immer zuerst um ein Miteinander – darum, auszuloten, ob der Verlag von meinen Büchern profitieren könnte. Ja, Sie haben richtig gelesen: Der Verlag soll etwas haben von mir und meinen Büchern. Geld ist nachrangig.

Und nun die Preisfrage: Glauben Sie, dass Palina Rojinski ein regelkonformes Exposé einreichen musste und für ihre antiaufklärerische, antiwissenschaftliche Nabelschau nur 10.000 Euro bekommen hat? Bei Bettina Wulff soll es eine halbe Million allein für die »Autorin« gewesen sein – und dem Vernehmen nach ein heftiges Verlustgeschäft für ihren Verlag. Wenn diese Zahl stimmt, hätte man davon also die Honorarwünsche von 50 nicht-prominenten neuen Autor:innen erfüllen können.

Mär 3: Verlage haben keine Zeit, Autor:innen zu antworten

Ich denke, jede:r kann sich ausmalen, was es angesichts dessen bedeutet, wenn man von Verlagen bzw. Agenturen bestenfalls ignoriert wird oder ansonsten gemaßregelt (so viel Zeit haben sie nämlich merkwürdigerweise im Zweifelsfall dann doch) oder sogar – wie im Fall von KiWi – versuchsweise bloßgestellt.

Mir drängen sich jedenfalls vor diesem Hintergrund schon seit Jahren immer wieder die gleichen Fragen auf. Geht es Verlagen mit Blick auf die Konkurrenz durch Amazon und Books on Demand tatsächlich so gut, dass sie Autor:innen auch weiterhin wie Bittsteller behandeln und nach außen hin, gelinde gesagt, unfreundlich auftreten können? Muss man sich als Verlag bzw. Literaturagentur wirklich wundern, dass, wenn man durch und durch abweisend auftritt, am Ende nur schmerzfreie Dickhäuter durch den Filter kommen, die genau so ein Gebaren anspricht? Und: Was macht sich wohl mehr bezahlt – die Erstellung von gehässigen TikTok-Videos oder ein nicht aus Textbausteinen bestehendes Antwortschreiben?

Den Argumenten »Selbstschutz«, »Zeitmangel« und »Manuskriptflut« haben Kiepenheuer und Witsch jedenfalls ganz wunderbar den Nährboden entzogen.

Abschließend sei noch gesagt: Ich kann durchaus verstehen, warum ein Verlag in ein Buch von Frau Rojinski investiert: Sie ist sympathisch, grundsätzlich klug (wenn es sie auch offensichtlich nicht davon abhält, dumm Tüch zu schreiben), redegewandt, medienerfahren, ein Profi der Selbstvermarktung. Man kann sie ob ihrer Bekanntheit in Talkshows schicken, wo sie mit offenen Armen empfangen wird und keinerlei kritische Fragen fürchten muss.

Inwieweit das nun völlig davon entbindet, als Verlag gewisse Qualitätsansprüche an den Inhalt zu stellen … sagen wir, ich lasse das mal offen.

Lesefortschritt:

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