Bedenklich einseitig
Für eine Senkung oder Abschaffung des Rundfunkbeitrags zu trommeln, ist politisch eine todsichere Sache. Und damit man dabei möglichst wenig aneckt, schießt man sich bedenklich einseitig auf die Informations- und Nachrichtensendungen und -sender des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland ein.
Gut, Horst Seehofer forderte gleich in Bausch und Bogen die Zusammenlegung von ARD und ZDF und scherte sich dabei augenscheinlich wenig darum, damit auch Volksmusikfreunde, Sportfans und Krimiliebhaber zu verprellen. Aber vielleicht hat er dem heimischen Bayerischen Rundfunk ja schlicht noch nicht verziehen, dass er seinem Konkurrenten, Heimat- und Finanzminister Markus Söder, einst einen PR-Auftritt in der regionalen Vorabendserie Dahoam is Dahoam gönnte.
Solche Peinlichkeiten werden jedoch in der Debatte um eine Senkung des Rundfunkbeitrags (oder den Rundfunkbeitrag generell) nicht thematisiert. Hier, wo die Frage wirklich wäre, wie es um Staatsferne und Objektivität des ARD-Senders bestellt ist, herrscht Schweigen. Stattdessen wird in der sächsischen CDU laut darüber nachgedacht, Sender wie ZDFinfo und Phoenix zusammenzulegen. Für Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff war oder ist sogar die Abschaffung der Tagesschau eine Überlegung wert. In der DDR war’s ja schließlich auch mit einer Aktuellen Kamera und einem Schwarzen Kanal getan.
Das Schöne am Dauerthema Rundfunkbeitrag ist, dass sich so ziemlich jeder schon mal darüber geärgert hat, und jeder seine Sendungen hat, die er flüssiger als flüssig, nämlich überflüssig findet – so natürlich auch ich. Ich bekomme bis heute einen dicken Hals, wenn ich daran denke, wie die GEZ-Kontrolleure des SWR in meinem Studentenwohnheim herumgeschlichen sind. Sie waren dreist, aggressiv und übergriffig und ungestraft lügen duften sie anscheinend obendrein. »Ich mache eine Umfrage«, sagte einer.
Ich finde es bis heute nicht richtig, dass sich Studierende oder Empfänger von Sozialleistungen nicht auch rückwirkend vom Rundfunkbeitrag befreien lassen konnten. Und ich persönlich kann gut auf Carmen Nebel verzichten, bin der Meinung, Helene Fischer sollte getrost dem Privatfernsehen überlassen werden und Markus Lanz (samt dem Gros seiner Gäste) wieder zu RTL geschickt. Ich brauche auch keine Adelsreportagen und keine Boulevardmagazine. Ich hätte gern weniger Rosamunde Pilcher und Inga Lindström und dafür mehr der langen investigativen Reportagen aus dem Spätprogramm zur Hauptsendezeit. Ich finde außerdem, es muss nicht jede Schema-F-Krimiserie um Inspector Huddlesworthingpennymillertaylorby von der BBC eingekauft werden.
Ich frage mich, ist Karneval tatsächlich ein solch unterfinanziertes Kulturgut, dass jedes Jahr zig Sitzungen und etliche Umzüge übertragen werden müssen? Und könnte man nicht, satt immer nur einen Spagat der medienethischen Leistenzerrung zu versuchen, einfach einmal konsequent einen Schritt tun und angesichts von nachgewiesenem Doping, Korruption und Menschenrechtsverletzungen aus den Verhandlungen für Olympische Spiele und Fußball-Weltmeisterschaften aussteigen?
Das wären meine Sparvorschläge. Aber es sind eben erstens nur meine und zweitens bin ich wegen genau der genannten Beispiele froh über die inzwischen so große Sendervielfalt der Öffentlich-Rechtlichen. Denn wenn mal wieder nur Sport läuft oder eine Rund-um-die-Uhr-Hofberichterstattung für vom Glanz der britischen Royals angezogene Monarchfalter, freue ich mich, auf ZDFinfo eine Folge Terra X gucken zu können oder Leschs Kosmos zu erkunden.
Ich finde es gefährlich, wenn der öffentlich propagierte Spardruck vornehmlich auf das an Qualität zielt, was die Öffentlich-Rechtlichen (noch) von den Privaten unterscheidet. Wer eine Zusammenlegung von Sendern fordert, suggeriert damit, dass sie ohnehin alle in Art und Inhalt das Gleiche berichten. Dabei ist das ZDF immer noch erheblich konservativer als die ARD, der BR konservativer als der NDR. Und selbst der als traditionell eher links verortet geltende Westdeutsche Rundfunk produziert etwa mit Hart aber fair ein Paradebeispiel für einen krawalligen Politstammtisch, der weidlich zum Polarisieren und Zuspitzen genutzt wird.
Klar, dass es Konservative gern noch konservativer hätten. Manch einem fehlt vielleicht auch das ÖR-Pendant zu Claus Strunz. Doch erstens: Was nicht ist, wird nach Lage der Dinge mit Sicherheit noch werden. Und zweitens: Das ZDF hat in Peter Hahne durchaus schon jetzt seinen strammen Evangelikalen mit Hang zu Populismus und Fernsehpredigerattitüde, der zwei Herren dient und durch seine Tätigkeit als Kolumnist für die Bild am Sonntag zugleich mit dem Axel-Springer-Verlag verbandelt ist. Das ZDF-Duo aus Bettina Schausten und Thomas Walde ist den Unionsparteien und vor allem der FDP stets deutlich gewogener als SPD und erst recht Grünen oder gar der Linken. Walde moderierte bei berlin direkt auch schon mal einen Beitrag über die Regierungsarbeit an mit den Worten: »Und herausgekommen ist wieder nur ein Kompromiss.«
Von mangelnder Ausgewogenheit kann also nicht die Rede sein. Allenfalls zeigen obige Beispiele, dass es auch bei den Öffentlich-Rechtlichen noch nachzuschärfen gilt und sie das Niveau-Limbo mit den Privaten tunlichst unterlassen sollten. Bei diesem Tanz schlägt sie die Konkurrenz ohnehin durch Ehrgeiz und Erfahrung.
In Zeiten von gezielter Falschmeldungen und Desinformationskampagnen (und in Zeiten, da es nötig ist, in der heute-Sendung um sieben zu erklären, was der Reformationstag ist) kann die Antwort aus meiner Sicht nicht im Zusammenstreichen von Nachrichtenredaktionen und Korrespondentennetzen liegen. Es braucht im Gegenteil mehr davon.
Jetzt Matthias Döpfner das Wort zu reden, ist mindestens die Säge am Ast, auf dem die betreffenden Politikerinnen und Politiker sitzen, wenn nicht gar die Axt an die Demokratie selbst gelegt. Döpfner mag zündeln mit seinen Worten von der »gebührenfinanzierten Staatspresse«, die er dann doch nicht so gesagt und so gemeint haben will und derentwegen er sich als Opfer böswilliger Unterstellungen sieht. Er mag seine BILD-Zeitung in die Spur schicken, damit sie aus jedem ARD-Tatort den ultimativen Sittenverfall macht wie in den Achtzigern, als die geistig-moralisch Gewendeten noch zählten, wie oft Horst Schimanski in einer Folge »Scheiße« sagte. Döpfner mag auch (falsch und schief) trommeln lassen, die ARD mache aus Konrad Adenauer einen Puffgänger, während seine Blätter (nachweislich und zählbar) permanent Nacktbildchen und Geifer-Storys unters Volk bringen und für Verdummung des Kalibers Dschungelcamp und Adam sucht Eva Werbung machen. All is fair in love and war and Pluralismus.
Man darf dabei seitens des Rundfunkrats nur nicht den Fehler machen, zu Döpfner in den Paternoster stürzen zu wollen. Döpfner ist ja nicht der weise König Salomon des Journalismus, als der er in seiner Rolle als Präsident des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger aufgetreten ist. Er ist Vorstandsvorsitzender eines weit verzweigten Medienkonzerns, Konkurrent der Öffentlich-Rechtlichen und ganz gewiss nicht objektiv.
Deshalb: Es darf gern gespart werden bei den Öffentlich-Rechtlichen, aber nicht am falschen Ende und nicht aus den falschen Motiven. Und Anbiedern bei all jenen, die von »Staatsmedien«, »Gebührendiktatur« und »Lügenpresse« reden oder mit diesen Begrifflichkeiten provozieren, ist ein falsches Motiv.