Filmsynchronisation 3: Der Umgang der Studios mit Sprecherinnen und Sprechern

Und bist du nicht billig …

In seinem Plädoyer für die Filmsynchronisation verweist Übersetzer Markus Engelhardt auf die »über tausend Schauspieler, die ihren Lebensunterhalt teilweise oder ausschließlich dadurch bestreiten, dass sie „ihre Stimme verleihen“«. Einige prominente Beispiele hat er dabei natürlich auch in petto: Christian Brückner, den Synchronsprecher von Robert de Niro etwa.

Natürlich hat Engelhardt recht, wenn er darauf verweist, dass de Niros deutsche Stimme inzwischen ein Markenzeichen ist, das hierzulande (wenigstens scheinbar) untrennbar mit dem amerikanischen Charakterdarsteller verbunden ist. Und es gibt selbstredend noch mehr: Die Identifikation von Arnold Marquis mit dem von ihm synchronisierten John Wayne etwa war so groß, dass der Synchronsprecher nach dem Tod Waynes eine Schallplatte zu Ehren seines »Freundes« aufnahm.

Der Erfolg von Louis de Funès, des ersten »Duckface« der (Film-)Geschichte, ist untrennbar verbunden mit der Stimme von Gerd Martienzen. Eddie Murphy war (mit Ausnahme des Zeichentrickfilms Mulan) 25 Jahre lang synonym mit Randolf Kronberg. Gert Günther Hoffmann war William Shatner und Sean Connery ebenso wie der grandios reimende Erzähler in der Zeichentrickserie Der rosarote Panther. Jack Nicholson ist undenkbar ohne Joachim Kerzel als seine Stimme; Hansi Jochmann ist als Synchronsprecherin von Jodie Foster ein absoluter Glücksfall, und auch die texanische Kain-und-Abel-Fassung Dallas lebt im Deutschen ganz wesentlich von den Stimmen Wolfgang Pampels als Fiesling J. R. Ewing und Hans-Jürgen Dittberners als Schwiegermutterliebling Bobby Ewing.

Aber: Auch Martienzen war beileibe nicht de Funès einziger deutscher Sprecher. Nimmt man sämtliche Nachsynchronisationen, DVD-Fassungen und DDR-Versionen zusammen, gab es sage und schreibe 15 deutsche de-Funès-Stimmen. Und Eddie Murphy? Der wird seit dem Tod Randolf Kronbergs 2007 von Dennis Schmidt-Foß synchronisiert. So viel also zum Thema Unverwechselbarkeit von Synchronstimmen und untrennbarer Verbindung von Schauspielern und ihren Sprechern.

Dennoch muss sich kein Befürworter von Untertitelungen Sorgen machen, dass die markanten Stimmen verschwinden könnten. Gerade Christian Brückner – so etwas wie das Aushängeschild der deutschen Synchronbranche und einer der wenigen Sprecher, dessen Gesicht nicht nur Insidern geläufig ist – nimmt sich inzwischen die Freiheit, seine Stimme nur noch anspruchsvollen Projekten zu leihen. Nie würde man seine Stimme in Formaten wie Achtung, Kontrolle!, Familien im Brennpunkt oder dergleichen hören. Aber auch de Niro zu synchronisieren fällt laut Brückner nur noch bedingt unter »anspruchsvoll«. Der Sprecher kann den Filmen des Altmeisters nicht mehr unbedingt viel abgewinnen, sagt er.

Tatsächlich müssen sich die Stimmen von Schauspielern und Synchronsprechern gar nicht mal so sehr ähneln wie die von Jochmann und Foster, um Wirkung zu erzielen. So spricht Norbert Gastell die Zeichentrickfigur Homer Simpson seit langem mit eher hoher, bisweilen sogar weinerlicher Stimme, während Originalsprecher Dan Castellaneta ihr mit der Zeit einen tieferen, nuscheligen Klang gegeben hat. Das Interessante dabei: Sowohl Castellaneta als auch Gastell haben die Stimme der Figur im Laufe der Jahre verändert. Castellaneta rückte aus vornehmlich praktischen Gründen davon ab, für die Figur des Simpson-Familienvaters die Stimme von Walter Matthau zu imitieren. Gastell sprach seinen deutschen Homer Simpson zunächst mit normaler, tiefer Stimme.

Überhaupt ist das in Markus Engelhardts Artikel beschriebene Szenario, wonach OmU-Fassungen die Synchronschauspielerei mit all ihren wundervollen Stimmen bedrohen könnten, überaus hypothetisch. Tatsache ist: Pro7Maxx hat den Versuch unternommen, an einem Tag in der Woche US-amerikanische Serien wie Homeland und House of Cards als O-Ton mit Untertiteln zu zeigen. Die Überlegung dahinter mutete auch logisch an: Viele Leute sind Fans der englischen Originalfassungen, aber vergleichsweise wenige durchbrechen die Routine des Fernsehalltags und greifen zu DVD oder Blueray. Für genau dieses Publikum, das nicht von seinen Gewohnheiten eines »ganz normalen Fernsehabends« abweichen will, waren die Originalversionen gedacht. Für Pro7Maxx wäre das Modell sicher auch ein gutes Geschäft gewesen, immerhin sind Untertitelungen wesentlich günstiger aus Synchronisationen. Doch nach nur wenigen Monaten hat der Sender dieses Experiment wegen zu niedriger Einschaltquoten wieder eingestellt.

Eine wesentlich konkretere Bedrohung für die Synchronschauspielerei kommt hingegen von der Filmbranche selbst. Prominentester Fall dürfte Marcus Off sein. In den ersten drei Filmen der Reihe Fluch der Karibik lieh Off Hauptdarsteller Johnny Depp – oder, treffender gesagt: der Figur des Captain Jack Sparrow – seine Stimme. Sein Honorar hierfür betrug 9.306,14 Euro plus 8650 Euro für die Synchronisation von DVD-Bonusmaterial, Trailern und Fernsehspots. Off klagte gegenüber den Produktionsstudios Disney und Buena Vista eine stärkere Beteiligung am Millionenerfolg der Filme ein und erzielte 2012 vor dem Bundesgerichtshof einen Teilerfolg. In Fluch der Karibik – Fremde Gezeiten sprach dann allerdings David Nathan die Rolle des schrulligen Piratenkapitäns. Die Ironie daran: Nathan hatte Depp ursprünglich bereits im ersten Film der Reihe synchronisiert, Disney sich mit seiner Leistung jedoch nicht zufrieden gezeigt und die Rolle neu einsprechen lassen – von Off.

Sprecherhonorare sind schwierig zu ermitteln, weil von vielen Faktoren abhängig und stark schwankend. Offs ursprüngliche Gage aber soll schon deutlich über den sonst üblichen Honoraren gelegen haben. Zum Vergleich: Norbert Gastell gibt an, für eine Staffel Simpsons etwa 10.000 Euro zu erhalten. Bei 22 Folgen pro Staffel wären dies 454,54 Euro pro Folge, bei acht Stunden Arbeit pro Folge ein Stundenlohn von 56,81 Euro. Es mag jeder selbst entscheiden, ob diese Zahl tatsächlich eine Wertschätzung seitens der Branche ausdrückt, wie sie Engelhardt andererseits von Synchronskeptikern einfordert.

Aber es gibt noch weitere Beispiele: Detlef Bierstedt, in der Regel Stammsprecher von George Clooney, wurde auf Betreiben von Regisseur Steven Soderbergh nicht für die Heist-Movies um Danny Ocean besetzt. Seitdem hat Clooney hierzulande gewissermaßen zwei Stimmen – eine für Soderbergh-Filme (Martin Umbach) und eine für den Rest.

Auch in den Star-Trek-Filmen der neuen Enterprise-Crew durfte Bierstedt lediglich in Treffen der Generationen (1994) mittun, obwohl er in der gesamten Serie Raumschiff Enterprise – Das nächste Jahrhundert den Commander William T. Riker spricht. Bierstedts Sprecherkollegen Charles Rettinghaus erging es ähnlich: In der Serie die Stimme von Chefingenieur Geordi La Forge, wurde er in den Filmen ab Star Trek – Der erste Kontakt (1996) durch Bernd Vollbrecht ersetzt.

Dahinter steckt durchaus Methode. Bei den kleinsten Unstimmigkeiten werden Sprecherinnen und Sprecher einfach ausgetauscht. Synchronschauspieler mit »Dreck« oder »Metall in der Stimme« (Zitat Helmut Krauss) wie eben der von Engelhardt erwähnte Arnold Marquis sind heutzutage von den Studios gar nicht mehr erwünscht.

Mehr in Teil 4.

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