Genderneutrale Sprache: Keine Angst vor Spott

Spott ist kein Naturgesetz

»Ring a bell – saliva!«, mahnte mein ehemaliger Englisch-Dozent Dr. Foster stets, wenn er das Gefühl hatte, dass jemand vor lauter selbst auferlegtem Druck schnappatmig zu werden drohte, anstatt rational an die Lösung eines Übersetzungsproblems heran zu gehen. Daran musste ich im Zusammenhang mit der Diskussion um das von der Universität Leipzig in ihrer Grundordnung eingeführte generische Femininum denken, denn die reflexartig einsetzenden Empörungszyklen mit ihren verschiedenen Phasen der (Über-)Steigerung ließen sich daran wieder einmal wunderbar festmachen.

So wurde mir beispielsweise mein Hinweis an einen Kollegen, dass »von oben verordnete« Sprache immer auch zu (dumpfem) Protest führt, weil sich damit eine gewisse Rebellion gegen Autorität verbindet, und eine wohlmeinende sprachliche Reform oder auch nur ein Reförmchen wie das in Leipzig so eher kontraproduktiv sein kann, von einer Kollegin glatt als Polemik ausgelegt, wiewohl ich damit eigentlich ihrer kritischen Haltung zustimmen wollte. Das mag verdeutlichen, wie emotional es wird, sobald jemand an sprachlichen Konventionen rührt. Weil jedoch zugleich die bewährten Mustern folgenden altbacken spöttelnden Zweizeiler, mit denen diverse Kollegen die Diskussion immer wieder befeuerten, unkommentiert blieben oder sogar beklatscht wurden, verschwanden meine Augenbrauen im Laufe der Diskussion allmählich im Haaransatz. Und das will bei meiner Frisur was heißen.

Man kann einem linguistischen Testballon, wie ihn der erweiterte Senat der Uni Leipzig hat steigen lassen, sicherlich aus diversen Gründen kritisch oder sogar ablehnend gegenüberstehen. Zu erwartender Spott zählt für mich aber definitiv nicht zu diesen Gründen. Denn, seien wir mal ehrlich: »Politisch korrekte« Sprache wird in erster Linie deshalb so oft verballhornt, weil es eine todsichere Sache ist. Man schwimmt mit dem Strom, man bekommt Aufmerksamkeit, man erntet schulterklopfende Zustimmung – und man hat praktisch keine Arbeit. Der Zettelkasten mit Anleitungen und Vorlagen ist schließlich über Jahrzehnte angewachsen – viel stärker im übrigen, als die tatsächlichen, auf veränderte Umstände, einen anderen Zeitgeist oder neue Erkenntnisse reagierenden sprachlichen Neuregelungen.

Und eine dieser Anleitungen und Vorlagen muss man nur umarbeiten oder weiterspinnen, fertig ist der Artikel, der Kommentar oder die Glosse. Man braucht auch nicht sachlich zu sein. Im Gegenteil, je unsachlicher, desto lauter der Beifall. Ja, man muss sich, wie das Leipziger Beispiel zeigt, nicht einmal an die Fakten halten. Kurz, genderneutrale Sprache verarschen, ist wie Malen nach Zahlen. Das geht zur Not auch mit dem IQ von Kaulquappen in einem sauerstoffarmen Tümpel.

Außerdem ist Spott kein Naturgesetz. Die Verwendung des generischen Femininums kann auch völlig geräuschlos geschehen. Die Leipziger Uni hatte schlicht Pech, von der unberechenbaren Lawine eines digitalen Chaosphänomens mitgerissen zu werden. Ihr harmloser linguistischer Testballon wurde im Gegensatz zu dem der Technischen Hochschule Karlsruhe oder dem der Gemeinde Hasloh von der teutonischen Wutbürger-Bazooka unter Beschuss genommen – warum auch immer.

Angesehen davon halte ich es auch für eine sich selbst erfüllende Prophezeiung, vor dem negativen Echo auf genderneutrale Sprache zu warnen und gleichzeitig auf jede noch so müde Persiflage zu verlinken oder sich selbst (auch als Frau) am machohaften Übertrumpfwettbewerb um möglichst absurde und abstruse Sprachparodien zu beteiligen.

Drei Gründe also, eventuellen Spott wegen genderneutraler Sprache nicht zu fürchten.

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