Romantagebuch Teil 5: Die liebe Leserschaft

Publikum

Ich gebe zu, ich bin ein Publikumsschreiber. Schon allein mein Beruf als Übersetzer, Journalist und Texter bringt es mit sich, dass ich auf die zu erreichende Leserschaft abstelle. Laien glauben dabei gern, dass Kreativität in diesen Bereichen ein entscheidender Faktor ist. Tatsächlich jedoch ist Kreativität hilfreich, dem Handwerk aber eindeutig nachgeordnet. Wer schon einmal als Praktikant bei einer Zeitung gearbeitet hat und dabei etwa Reiseberichte von Hobbyschreibern aus Kegelklubs oder Sportvereinen auf den Schreibtisch bekommen hat, kann davon sicherlich ein Liedchen singen. Solche Texte haben es oft an sich, dass sie zwar sehr blumig und durchaus einfallsreich geschrieben sind (»Es wurden Prozente eingefahren wie sonst nur in einer Schnapsbrennerei« formulierte es beispielsweise einst ein begeisterter Radsportler, um die von ihm bewältigten Steigungen zu illustrieren), die Informationsvermittlung aber völlig vernachlässigen. Die Leser von Zeitungstexten teilen den Humor des Verfassers jedoch möglicherweise nicht; vor allen Dingen aber lesen sie Zeitung der Fakten und nicht der Wortspiele wegen.

Den Fehler der Übertreibung und Überfrachtung machen indes durchaus auch Profis. Ich habe als Übersetzer einmal einen Text vorgelegt bekommen, in den der Verfasser bei einem Umfang von vielleicht eintausend Wörtern an die zehn mehr oder minder gelungene Wortspiele rund um den Begriff »Wolf« eingeflochten hatte, weil es um einen Fußballspieler vom VfL Wolfsburg ging. Und natürlich hat sich niemand gefragt, ob sich diese Wortspiele überhaupt ins Deutsche (oder die anderen Sprachen, in die der Text übersetzt wurde) übertragen ließen.

In diesem Fall habe ich – zumal ich unter Zeitdruck stand – kurzerhand alles genommen, was mir auf die Schnelle an Assoziationen zum Thema »Wolf« eingefallen ist: Den »Wolf im Schafspelz«, »mit den Wölfen heulen«, »Rudel«, der Wolf als soziales Wesen, »die Zähne zeigen«, Beute schlagen. Gefallen hat mir das nicht. Aber Maßgabe war eben der Stil des Ausgangstextes, den zu treffen ich auf diese Weise versucht habe. Mein persönliches Empfinden musste (nicht nur in diesem Fall) zurückstehen.

Kreativität kommt also in (meinen) professionellen Texten so gesehen nur sehr dosiert zum Tragen. Umgekehrt hingegen setze ich das, was ich im Beruf zum Transportieren von Botschaften und Gestalten von Texten verwende – das Variieren des Satzaufbaus, das Verschieben von Betonung und Satzschwerpunkten, das Spiel mit der Thema-Rhema-Struktur – in der Schriftstellerei ein. Auch, dass ich als Übersetzer juristischer Texte oft gehalten bin, Fremdwörter zu vermeiden, kommt mir natürlich entgegen, wenn es um Fantasy geht.

Aber natürlich habe ich schon geschrieben, bevor ich meinen Beruf ergriffen habe. Zu meinem Publikum habe und hatte ich dabei stets ein zwiespältiges Verhältnis. Einerseits habe ich meine Werke schon als Kind gern vorgelesen, weil es gefiel und weil ich gefallen wollte. Andererseits habe ich mich nie gefragt, was meinem Publikum wohl gefallen würde. Ich schreibe, wonach mir der Sinn steht. Dazu gehört auch, dass ich jetzt seit über zehn Jahren eben (mit Unterbrechungen) Fantasy schreibe und mich hartnäckig allen Einflüsterungen widersetze, etwas meinem Talent und Intellekt Angemessenes, Hochgeistiges und Seriöses zu verfassen.

Es ist auch völlig unstrittig, dass meine Geschichten gerade während meiner Gymnasialzeit mein »Alleinstellungsmerkmal« waren, die von mir besetzte Nische, die mir im Rennen um die für Teenager so wichtige Beliebtheit wenigstens ein bisschen geholfen habt. All das war mir natürlich damals nicht bewusst.

Das änderte sich übrigens im Studium schlagartig. Dort war ich weder in Sachen Englisch noch in Sachen Schreiben konkurrenzlos sondern nur noch einer unter vielen. Ausgemacht hat mir das nichts, klar gemacht indes vielleicht schon.

Lesefortschritt:

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