Romantagebuch Teil 6: Die Feigheit deutscher Verlage

Erster!

In meiner Familie gibt es in des Wortes wahrstem Sinne viele von Kunst Beseelte – Designer, Malerinnen und Musiker, Comiczeichnerinnen und Modemacherinnen. Und irgendwo darin eingebettet und davon gespeist leuchtet auch mein Licht. Ich hatte immer viel, wovon ich zehren und aus dem ich schöpfen konnte. Ich hatte ganz ohne staatliches Zutun das, was man heute eine frühkindliche Förderung nennt.

Entsprechend habe ich mich schon früh mit »Kunst« im weitesten Sinne auseinandergesetzt, wenn auch nicht immer ganz freiwillig und erst recht nicht konfliktfrei. Ein häufiger Diskussionspunkt zwischen meinem Vater und mir war dabei natürlich die Frage, ob etwas Kunst ist oder nicht. Um es vorweg zu nehmen: Die Diskussion an sich war insofern fruchtlos, als die Frage nicht zu beantworten ist. Aber wenn ich sagte: »Das ist doch einfach; das ist doch keine Kunst!«, dann sagte mein Vater: »Dann mach es mal!« oder er verwies darauf, dass ein Werk – so einfach es in der Rückschau auch vom handwerklichen Standpunkt her sein mochte – eben das erste seiner Art war.

Nun kann man trefflich darüber streiten (und sollte es auch tun), ob es heutzutage noch möglich ist, das Rad neu zu erfinden, oder ob nicht vielmehr alles, was wir tun und was wir erschaffen, beeinflusst ist von dem, was wir erlebt, erfahren, gehört und gesehen haben,und wie gerechtfertigt Copyrights und Urheberrechte im Lichte dessen sind. Ich jedenfalls war, geprägt durch die mir mir mitgegebenen Leitsätze meines Vaters, immer bestrebt, etwas möglichst Neues zu schaffen. Die Zeit der großen Wanderschaft erklärt sich in vielerlei Hinsicht entsprechend auch daraus, was die Geschichte ausdrücklich nicht sein soll – kein erneuter Aufguss altbekannter Fantasy-Zutaten nämlich.

Es gibt nicht den Kampf des ultimativ Guten gegen das ultimativ Böse, es gibt keine von Natur aus schlechten Wesen, deren massenhafte Abschlachtung durch die »Helden« der Geschichte gerechtfertigt ist, es gibt nicht die aus den üblichen Verdächtigen bestehende Heldengruppe auf ihrer Wanderung zu mythischen Orten zwecks Erlangung eines Gegenstands der Macht (Ring, Schwert, Kristall etc.), den der finstere Gegenspieler auf keinen Fall zuerst in die Hände bekommen darf.

Es gibt nicht das einfache Bauernkind mit dem Muttermal in Form einer purpurnen Pimpernelle, zu dem eines Tages ein alter Wandersmann kommt und ihm eröffnet, dass es der in einer uralten Prophezeiung verheißene Weltenretter ist, und das Kind wird auch nicht in kürzester Zeit zum besten Kämpfer und größten Zauberer aller Zeiten.

In meiner Geschichte gibt es nicht nur ein Land, nicht nur einen Kontinent, nicht nur eine Sprache und nicht nur einen (mittelalterlich-europäischen) Kulturraum. Das empfinde ich in einer globalisierten Welt als nicht zeitgemäß. Trotzdem bzw. genau deswegen bietet Die Zeit der großen Wanderschaft eine Fülle an Personen, Orten und Geschehnissen, wie es sie so im Fantasy-Bereich noch nicht gibt.

Ich weiß, wir alle wünsche uns bisweilen wohl, jemand Besonderes zu sein. Es gehört nun mal zum Wesen des Menschen, einerseits ein Individuum sein zu wollen und andererseits ständig Anschluss an Gleichgesinnte und Gruppen zu suchen. Besonders für Teenager in all ihren Tribulationen mag das einen Reiz haben, aber um ehrlich zu sein: Mir gehen die ewig gleichen Urban-Fantasy-Geschichten um das gehänselte und in sich gekehrte, missverstandene Gothic Kid, das seine Eltern verloren hat, um herzzerreißende unmögliche Liebe zu Blutsaugern, Werwölfen oder zu Typen, die sich bei Licht besehen einfach nur verhalten wie Arschlöcher, inzwischen nur noch auf den S…enkel.

Allerdings habe ich inzwischen die Erfahrung gemacht, dass ich wohl besser mit genau jenen sattsam bekannten Versatzstücken von Fantasy gearbeitet hätte, anstatt mich zu bemühen, neue Elemente in die (deutsche) Fantasy einzuführen. Deutsche Verlage und Literaturagenturen (sofern sie überhaupt noch eigenständig sind und nicht schon zu internationalen Häusern gehören) setzten vornehmlich auf Bewährtes. Ausländische Autoren haben dadurch einen Vorteil, weil sich ihre Werke bereits verkauft haben. Es wird nicht versucht, Trends zu setzen, sondern in erster Linie nur noch Trends bedient, bis wirklich der letzte Euro aus ihnen herausgeholt ist.

Ich weiß nicht, ob ich darüber weinen oder lachen soll. Denn die Ironie an der ganzen Sache ist nun, dass ich inzwischen getrost darauf verweisen kann, doch kein Novum der Fantasy geschaffen zu haben. Mittlerweile ist mir jemand zuvorgekommen: G.R.R. Martins grandioses Epos Das Lied von Eis und Feuer bricht in vielerlei Hinsicht ebenso mit den Traditionen des Genres, wie ich es in meiner Geschichte versuche.

Lesefortschritt:

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