Romantagebuch Teil 9: Fantasy-Namen

Platzhalter

Die Benennung von Figuren in einer »normalen«, im Hier und Jetzt spielenden Geschichte ist, wie bereits beschrieben, schon nicht ohne. Aber letztlich muss man sich dabei doch nur an dem bedienen, was da ist. Man spielt die Namen von Familienmitgliedern, Freunden, Bekannten, Kolleginnen und Kollegen durch, überlegt sich, welche Namen gerade modern sind und welche es früher mal waren – fertig. In der klassischen Fantasy ist das hingegen viel schwieriger.

Denn hier müssen die Namen frei erfunden werden – und das in rauen Mengen. Nicht nur Personen brauchen Namen, auch Länder, Flüsse, Städte oder Gebirge. Klar, zur Not geht immer so was wie »Die Große Weite«, »Das Meer des Ostens« oder »Die Roten Berge«. Bei so was empfiehlt es sich nur, immer hübsch darauf achten, dass man die Adjektive im Zweifelsfall groß schreibt, weil wegen feststehender Begriff und so.

Derartige Lösungen gestatte ich mir jedoch nur in Ausnahmefällen (etwa beim westlich von Angorn gelegenen Waldland). Manchmal verbringe ich Stunden damit, mir nur Namen auszudenken oder auch nur einzelne weiblich oder männlich klingende Endsilben aufzuschreiben. So haben die Mitglieder der vostravischen Henkersfamilie, die den Auftakt zu Band 3 von Die Zeit der Großen Wanderschaft macht, bevorzugt Namen, die mit Gos- beginnen: die Männer heißen Goswin, Gosbert oder Gosbo, die Frauen Goslindis, Gosmila oder Goslina.

Manchmal lasse ich mir auch vom Zufall helfen. Der angornische Seemann und Bote Bratur etwa verdankt seinen Namen dem Länderspiel Brasilien gegen die Türkei (BRA – TUR), der Kundler Daraseus ist einem Tippfehler (»daraus«) entsprungen. Handelskapitän Kreff bekam seinen Namen in Anspielung auf das englische Wort gruff und Micodat, der Anführer von Angorns Bruderschaft der Schatten, ist eine Reminiszenz an meinen verstorbenen kleinen Kater Piper, den ich wegen seiner Leibesfülle auch »Dickomat« genannt habe.

Gelegentlich hilft auch ein wachsamer Blick auf die Umgebung. Das Zehntefrei beispielsweise gibt es wirklich. Nur ist es natürlich kein Landstrich, sondern ein Straßenname. Auch die Achtwindenhöhe ist die Abwandlung eines Straßennamens. Im Fall der Achtwindenhöhe ergaben sich aus dem Namen allerdings weitere Fragen – zum Beispiel die, wie die Sprache heißt, die dort gesprochen wird. (Antwort: Achtwindisch.)

Einige Namen sollten auch einfach einen bestimmten Klang haben. Svark beispielsweise ist ein hartherziger, gefühlloser alter Mann und sein Name klingt entsprechend wie Auswurf beim Husten. Verwalter Snann ist eine nüchterne Beamtenseele, weswegen sein Name kurz und trocken ist und fast nur aus Konsonanten besteht.

In vielen Fällen verwende ich Namen und Bezeichnungen in der Geschichte aber in dem Bewusstsein, dass es Platzhalter sind. Kronprinz Ruthard von Angorn und seine Schwester Salmey zum Beispiel haben ihre Namen im Laufe der letzten 15 Jahre (mehrfach) geändert, ehe ich schließlich auf »echte« mittelalterliche Namen zurückgegriffen habe. Und erst kürzlich kam mir die Idee, aus den verschiedenen »Häusern« der Adelsfamilien in Angorn lieber »Sterne« zu machen.

Hintergrund ist, dass die Angorner einem Gestirnsglauben anhängen (eine Idee, die ich aus einer Ausgabe von Spektrum der Wissenschaft habe). Sie sind Anhänger bestimmter Sterne wie Sonne, Mond, Wandelstern oder Abendstern. Ihre Taufe heißt deshalb »Gestirnssegen« und ihr Glaube äußert sich auch in ihren Flüchen, Stoßseufzern oder Ausrufen (was konsequent durchzuhalten bisweilen gar nicht so einfach ist).

Auch die »Kundler« als einflussreiche und nach Macht strebende religiöse Klasse Angorns haben mehrere Namensänderungen erfahren. Zuerst hießen sie schlicht »Templer«, dann »Mystiker« und jetzt »Gestirnskundler« oder schlicht »Kundler«. Und jede dieser Änderungen bedeutete für mich, ich musste mich durch über 1500 Seiten kämpfen, um die erforderlichen Korrekturen vorzunehmen.

Wichtig ist mir zudem, dass Länder und Landschaften nicht überall die selben Namen haben (zumal sich damit auch gut Unterschiede in Kultur, Weltanschauung und Wissensstand deutlich machen lassen). Das Gebirge, das für die Ayondi der »Weltenrand« ist, wird so von den Bewohnern Lajelkoms (weibliche Form übrigens Lajelkomas, männliche Form Lajelkomos) schlicht der »Schneerücken« genannt. Das ständig zerstrittene dreigeteilte Land Dairatín wird von den Angornern (spöttisch) als Westhag, Osthag und Nordhag (und die ärmlichen Bewohner doppeldeutig als »Hager«) bezeichnet.

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