Skurriles aus 15 Jahren als Übersetzer

Was man mit Kunden so erlebt

Nach inzwischen fast fünfzehn Jahren Tätigkeit als freiberuflicher Übersetzer finde ich, es ist Zeit für einen kleinen Rückblick. Deshalb hier nun also meine fünf skurrilsten Fälle von Kundenkontakt seit 1998.

Fall 1: Mischpoke

Eine der ersten telefonischen Anfragen, die ich bekommen habe, kam tatsächlich von einer EU-Behörde (Gewässerschutz war es, glaube ich). Die zuständige Dame suchte einen Übersetzer, der vom Englischen ins Französische (und natürlich umgekehrt) arbeitete. Grund war wohl ein gewisser Chauvinismus sowohl der Anglophonen als auch der Frankophonen innerhalb der Behörde, die sich untereinander zwar verständigen konnten, sich Texte jedoch tunlichst nur in ihrer jeweiligen Muttersprache zu Gemüte führen wollten. So weit, so erstaunlich. Nur übersetze ich als deutscher Muttersprachler – für meine Begriffe selbstverständlich – nicht aus einer Fremdsprache in eine Fremdsprache, und das habe ich der Dame am Telefon auch so mitgeteilt. Es leuchtete ihr nicht ein. Am Ende versuchte sie mich mit den Worten zu überzeugen: »Das muss auch alles nicht so genau sein. Sie wissen doch, wie das in einer Behörde ist: Da reden alle durcheinander und am Ende kommt so eine Mischpoke raus.«
Ich habe den Auftrag abgelehnt, weil »Mischpoke« zu produzieren nicht mein Qualitätsanspruch ist.

Fall 2: Schnell wie Sekretärin Blitz

Hatte ich im ersten Fall immerhin noch die passende Begründung für die Ablehnung des Auftrags auf Lager, muss ich gestehen, dass mir die Erkenntnis im zweiten Fall erst als Treppenwitz kam. Auf die Frage nach der Länge des zu übersetzenden Texts bekam ich die Auskunft, es handele sich um 3500 Wörter. (Ich konnte meinen Gesprächspartner am Telefon auf »Extras/Wörter zählen« klicken hören.) Die Krux war der Zusatz: »Ich schätze, dafür benötigen Sie so zwei Stunden.«

Ich befürchte, dass ich angesichts dieser kühnen Aussage zunächst einmal sprachlos war. Erst mit Verzögerung gelang es mir, den Kunden darüber aufzuklären, dass 3500 Wörter Übersetzung ein (sehr, sehr strammes) Tagwerk sind. Wieder machte ich die Erfahrung, dass das dem Kunden nicht einleuchtete. Warum, ist mir leider erst nach dem Ende des Gesprächs klar geworden: Der Kunde hatte vermutlich die Geschwindigkeit zu Grunde gelegt, die seine Sekretärin zum Abtippen des Texts benötigt hätte.

Fall 3: Ungefähre Vertragsinhalte

Manchmal wiederholen sich Anfragen in ihrer Art aber auch so oft und in so kurzem Abstand, dass man sich dankenswerterweise eine Antwort zurechtlegen kann. So habe ich gerade in letzter Zeit mehrfach Anfragen zur Übersetzung von Verträgen erhalten, die, wie sich auf Nachfrage herausstellte, noch gar nicht vorlagen. Auskünfte zu Inhalt oder Länge konnte mir also niemand erteilen – was eine seriöse Angebotsabgabe natürlich erschwert. Allein, den Interessenten focht das nicht an, denn: »Wir müssen nur ungefähr wissen, was drin steht.«

Daran änderte auch mein vorsichtiger Einwand nichts, dass es doch gerade bei Verträgen auf jedes Wort ankommt. Nach ungefähr der sechsten derartigen Anfrage war ich dann so weit, den vermeintlichen Interessenten zu antworten: »Also schön: Es geht darum, dass Firma A etwas hat (C), was Firma B gern hätte. Firma B vereinbart mit Firma A daher die Lieferung von C zum Preis von D innerhalb des Zeitraums E. Sollte Firma B ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber Firma A nicht oder nicht im Zeitraum E nachkommen, droht Strafe X. Sollte Firma B der Bezahlung von C nicht oder nicht im Zeitraum E nachkommen, droht Strafe Y. Haftungsausschluss, salvatorische Klausel, Gerichtsstand, Datum, Unterschriften. Das steht so ungefähr in dem Vertrag.«

Fall 4: Zufriedene Wechsler

Sehr beliebt scheint mir gerade in jüngster Zeit irgendwie auch folgende Variante zu sein: Man bittet um ein Angebot für eine Übersetzung. Und nach Erhalt des Angebots bedankt man sich dann artig und schreibt: »Wir haben bereits ein Übersetzungsbüro in [beliebige Großstadt in West- oder Süddeutschland einsetzen], mit dem wir bereits seit vielen Jahren zusammen arbeiten und mit dem wir sehr zufrieden sind. Dieses würde für die Übersetzung xxx Euro weniger verlangen. Wenn Sie bereit sind, die Übersetzung zum selben Preis zu übernehmen, würden wir jedoch künftig gern langfristig mit Ihnen zusammen arbeiten.«

Schön und gut. Nur ist es natürlich nicht logisch, eine Zusammenarbeit aufzukündigen, wenn die Preise des Übersetzungsbüros unschlagbar niedrig sind und die Qualität der Übersetzungen trotzdem sehr zufriedenstellend ist. Wesentlich wahrscheinlicher erscheint mir daher, dass an der Aussage, vorsichtig ausgedrückt, etwas faul ist und man mit dem Büro, das für eine Übersetzung meinen Preis minus xxx Euro nimmt und davon noch einmal nur minus xxx Euro an seine ÜbersetzerInnen weiterreicht, eben just nicht gut gefahren ist.

Fall 5: Wolle Software kaufe?

So richtig unbeliebt machen sich bei mir aber vor allem die großen Ü-Agenturen. Denn wo man Direktkunden noch zugute halten kann, dass sie sich kein Bild vom Aufwand einer Übersetzung machen können (und ihr eigenes muttersprachliches und fremdsprachliches Vermögen obendrein womöglich auch noch gründlich überschätzen), muss man bei Ü-Agenturen unterstellen, dass sie einen schlicht veralbern wollen. Und wenn ich schon veralbert werde, dann doch bitte wenigstens auf halbwegs clevere Weise, die meine Intelligenz nicht beleidigt.

Grund für meinen Furor: Ich wurde von einer Ü-Agentur wegen der Mitarbeit an der Lokalisierung eines MMPORG kontaktiert. Zwar gibt es aus meiner Sicht mannigfaltige Gründe, warum die Übersetzung eines laufenden MMPORG wenigstens problematisch und höchstwahrscheinlich sogar unmöglich ist, aber es war ja nicht meine Einschätzung als Projektmanager gefragt sondern nur meine Tätigkeit als Übersetzer – und diese machte mir die Agentur sehr schmackhaft: Auslastung über Monate, freie Auswahl der zu übersetzenden Texte, kreatives Arbeiten, beliebig viele oder wenige Wörter. Zudem wurde ich nach Jahren mal wieder nicht nur in einer Sammelmail bedacht sondern persönlich angeschrieben und das Projekt entsprach ausnahmsweise tatsächlich mal den von mir angegebenen Fachgebieten.

Ich schrieb der Ü-Agentur also, dass ich grundsätzlich Interesse und freie Kapazitäten hätte, verwies aber zugleich darauf, nicht die neueste Version der Übersetzungssoftware besagter Agentur zu haben. Man sagte mir zu, die Projektleiterin werde sich bei mir melden, sobald die Sache spruchreif wäre. Gemeldet haben sich dann im Abstand mehrerer Wochen auch immer wieder Leute mit »Updates zum Projekt« bei mir – nur nicht die Projektleiterin und nur nicht zu den Fragen der Bezahlung und der Software.

Irgendwann wurde die Angelegenheit dann aber offenbar konkret und so musste die Ü-Agentur also aus der Deckung kommen. Ihre erste Frage war, ob ich nicht mit meinen Preisen – die völlig veraltet waren und entsprechend weit unter dem lagen, was ich heute verlange – herunter gehen könne. Die zweite Frage war, ob ich ihnen angesichts des zu erwartenden Auftragsvolumens nicht einen Rabatt gewähren könnte. Und die dritte Frage war im Grunde genommen keine Frage sondern ein reichlich durchschaubarer Marketing-Move: Mir wurde mitgeteilt, dass für die Lokalisierung – Überraschung! – die neueste Software der Ü-Agentur benötigt werde. Nach niedrigeren Preisen und einem etwaigen Mengenrabatt hätte das also der dritte Nachlass gegenüber der Ü-Agentur sein sollen. Auf diese Weise wäre ich vielleicht auf einen Wortpreis von 6 Cent gekommen.

Netter Versuch.

Lesefortschritt:

Eine Antwort

  1. Sowas ärgert mich! Auftraggeber, die eine Übersetzung o.ä. nicht selbst hinkriegen, versuchen dir zu erklären, wie schnell es geht und wie teuer es sein darf. Das ist mehr als respektlos.

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