Wetternachrichten bei ARD und ZDF

Nachrichten für Leute ohne Fenster

Für die Monate Juni, Juli und August gibt es die meteorologische Bezeichnung »Sommer«. Das bedeutet, in dieser Zeit wird es in Mitteleuropa für gewöhnlich recht warm, gelegentlich sogar heiß. Im Winter – das sind in Mitteleuropa die Monate Dezember, Januar und Februar – wird es hingegen so oft kalt (Frost), dass Wasser gefriert (nämlich zu Eis) und es zu entsprechenden Niederschlägen kommt (Schnee). Diese an sich triviale Feststellung treffe ich deshalb, weil Sommer und Winter der vergangenen Jahre offensichtlich so mild gewesen sind, dass Wetterphänomene wie »Hitze« und »Kälte« inzwischen Nachrichtenwert haben.

Dabei ist es doch nun wahrlich nicht so, als hätte sich in den vergangenen Monaten sonst nichts ereignet: Bürgerkrieg in Syrien, Griechenland-Mobbing der CSU, Diskussionen um die Energiewende, Euro-/Schuldenkrise – die Liste ist lang. Selbst Wetternachrichten hat es zuhauf gegeben: Die Dürre in den USA, Hochwasser durch Monsunregen auf den Philippinen (60 Tote), ein Taifun in Vietnam (27 Tote), ein Taifun in Südkorea (9 Tote). Ach ja, und dann war da natürlich auch noch Hurrikan Isaac, aber der interessiert erst so richtig, seit er auf New Orleans zusteuert. Dass er auf dem Weg dorthin schon das eine oder andere bettelarme Inselchen wie Haiti überquert hat – nun ja.

Vor allem aber hat das Wetter schon seit Jahr und Tag seinen festen Platz in den Nachrichtensendungen – im Teil mit dem bezeichnenden Namen »Wetterbericht« nämlich. Den gibt es in der ARD beispielsweise allein in der Zeit um 20 Uhr gleich mehrfach: Einmal vor und einmal nach der Tagesschau – nicht gerechnet diverse andere Regional- und Boulevardformate. Auch die heute-Nachrichten im ZDF, die, wie seit einem Verplapperer von Petra Gerster bekannt ist, durchaus mal kürzer ausfallen können, wenn die Werbekunden es so wünschen, schließen mit einem Wetterbericht.

Trotzdem verschwenden alle Nachrichtensendungen Zeit auf Beiträge übers Wetter. Privatsendern sehe ich das ja noch nach, aber mit dem vielbesungenen »Bildungsauftrag« der Öffentlich-Rechtlichen halte ich es nicht für vereinbar, dass sie in den letzten beiden Wintern Heerscharen von ReporterInnen in den Schnee geschickt haben, um sie dann womöglich noch zu fragen, ob es kalt ist (so geschehen tatsächlich in einem Beitrag des WDR). Es hat eine unverhältnismäßige Anzahl von Sondersendungen (ZDF Spezial/Brennpunkt) gegeben – alle mit so reißerischen und zugleich abgedroschenen Titeln wie »Hitze über Deutschland« oder eben wahlweise »Kälte über Deutschland«. Ich nehme an, die waren für all jene Leute, die keine Fenster haben und deshalb vom Wetter nichts mitbekommen hatten.

Irgendwie bin ich angesichts dessen schon fast wieder froh, dass die kurze Sonnenperiode in Deutschland wieder vorbei ist. Keine Beiträge mehr über Leute, die in der Sonne liegen und sich über das schöne Wetter freuen. Keine Beiträge mehr über Leute, die durch Springbrunnen laufen. Keine Beiträge mehr über Kinder, die erzählen, dass sie gerade ein Schokoeis essen (und den Reporter dabei verwundert anblicken, weil doch eigentlich jeder sieht, dass sie ein Eis essen und warum).

Aber wahrscheinlich wird die freie Sendezeit auch wieder nur gefüllt werden mit Berichten über den Regen.

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